Hochbegabte junge Fußballer auf hohem Niveau ausbilden, sie fördern, fordern und weiterentwickeln, ihnen idealerweise in leistungsstarken Mannschaften Teamspirit und Siegermentalität vermitteln: Das ist eine große Herausforderung, der sich engagierte Trainer und Mitarbeiter Jahr für Jahr stellen. Dieser Spagat, der ein Höchstmaß an Qualität und Feingefühl verlangt, gelingt im BVB-Nachwuchs-Leistungszentrum Brackel. Auch dank weiterer Optimierungen im strukturellen wie personellen Bereich. Dafür stehen vor allem Lars Ricken als Nachwuchskoordinator (seit 2008) und Edwin „Eddy“ Boekamp als Leiter der Nachwuchsabteilung (seit 2013). Titel und Triumphe sprechen für sich.

Seit Einführung der Junioren-Bundesligen (U 19 im Jahr 2003, U17 im Jahr 2007) hat Borussia Dortmund gleich zwei Bestmarken aufgestellt: Noch nie hat ein Verein sechs Deutsche Meisterschaften in Serie gewonnen (von 2013/14 bis 2018/19), und allein der BVB hat es geschafft, bei den A-Junioren (U19) einen Titel erfolgreich zu verteidigen (2016, 2017). Dazu ebnete der Verein in dieser Zeit auch noch vielen Talenten den Weg in den Profi-Fußball, u. a. Dzenis Burnic, Christian Pulisic, Orel Mangala, Felix Passlack, Jakob Bruun Larsen, Amos Pieper, Janni Serra, zuletzt Tobias Raschl, Patrick Osterhage, Tobias Mißner, Robin Kehr und Paul Besong. Vorher hatte die Nachwuchsabteilung heute gestandene Profis wie u. a. Kerem Demirbay, Antonio Rüdiger oder Daniel Ginczek ausgebildet.

Die jüngste Erfolgsgeschichte begann mit dem 1998-er Ausnahmejahrgang und Trainer Hannes Wolf. Der BVB triumphierte in der Saison 2013/14 im Finale der Deutschen B-Juniorenmeisterschaft bei RB Leipzig mit 2:1. Beide Tore erzielte David Sauerland. Das Team wiederholte seinen Erfolg ein Jahr später in Großaspach mit einem 4:0-Sieg gegen den damals von Domenico Tedesco trainierten VfB Stuttgart. Borussia, u. a. mit Amos Pieper, Niki Beste, Julian Schwermann, Dzenis Burnic, Felix Passlack, Janni Serra, Christian Pulisic, Dario Scuderi, Jakob Bruun Larsen war das Maß aller Dinge im deutschen B-Juniorenfußball.

34 000 Zuschauer beim Finale 2017

Das nächste Kapitel schrieben die Jungs in der U19. Sie gewannen in Hoffenheim das hochklassige Endspiel um die Deutsche Meisterschaft mit 5:3 gegen die TSG 1899 Hoffenheim. Jonas Anweiler (2), Janni Serra (2) und Felix Passlack machten mit ihren Treffern den ersten Meistertitel bei den A-Junioren nach 16 Jahren perfekt. 1997 dann die Titelverteidigung mit Trainer Benjamin Hoffmann: Borussia besiegte den FC Bayern München vor der Rekordkulisse von 34 000 Zuschauern im Signal Iduna Park mit 8:7 nach Elfmeterschießen. Die U17, die ein Jahr zuvor das Finale gegen Leverkusen mit 0:2 verloren hatte, war 2017 im Halbfinale unglücklich und nach einem frühen Platzverweis an Werder Bremen gescheitert.

Dominanz in allen Leistungsklassen

In der Saison 2017/18 qualifizierten sich beide Teams erneut für die Endrunde zur Deutschen Meisterschaft. Die U19 verlor das Halbfinale gegen den späteren Meister Hertha BSC Berlin (0:4, 3:1), und die von Sebastian Geppert trainierte U17 krönte eine grandiose Bundesliga-Saison (nur eine Niederlage) mit dem Meistertitel. Sie bezwang in München in einem Spiel voller Rasse, Klasse und Tempo den FC Bayern mit 3:2.

Überraschend triumphierte ein Jahr später Borussias U19 im Finale um die Deutsche Meisterschaft gegen den VfB Stuttgart mit 5:3. Nach überragendem Saisonstart geriet die Saison 2018/19 für die Jungs von Benjamin Hoffmann zu einer Achterbahnfahrt. In der UEFA Youth League scheiterten sie in der Gruppenphase an Atletico Madrid und AS Monaco, im DFB-Pokal schafften sie es bis ins Halbfinale und zogen bei RB Leipzig im Elfmeterschießen den Kürzeren. In der Bundesliga West retteten sie sich am Ende auf den zweiten Platz – und starteten dann voll durch. Im Halbfinale zur Deutschen Meisterschaft schalteten sie Schalke 04 aus (2:2, 2:0), im Endspiel in Großaspach gelang ihnen nach 1:3-Pausenrückstand noch ein toller 5:3-Sieg gegen den gerade zum DFB-Pokalsieger gekürten VfB Stuttgart.

Das erste Double in der Bundesliga-Geschichte schien greifbar nahe.

Doch die erfolgsverwöhnte U17, die bis dahin kein Meisterschaftsspiel verloren hatte, unterlag 14 Tage später im „Heim-Finale“ im Stadion Rote Erde dem 1. FC Köln mit 2:3. Dabei hatte sie vorher in der Bundesliga noch einen 3:0-Auswärtsieg beim 1. FC Köln gefeiert und sich nach der souverän gewonnenen Westdeutschen Meisterschaft problemlos über den VfL Wolfsburg für das Endspiel qualifiziert.

Die Basis für die Fortsetzung dieser Story ist gelegt. Denn auch die jüngeren Jahrgangs-Mannschaften (U14, U15) dominierten ihre Leistungsklassen, die Spieler der U16 werden zielorientiert an ihre nächsten Schritte herangeführt. Das Team beendete in der Saison 2018/19 die Meisterschaftsrunde in der B-Junioren Westfalenliga nebenbei als Tabellenerster. „Wir wollen immer um Titel spielen. So entwickeln wir Siegermentalität, die notwendig ist, um sich später auch im Profi-Fußball zu behaupten“, beschreibt Lars Ricken die Philosophie des Vereins.

Mit Götze 2009 das Double verpasst

Bis zum ersten Triumph der Nachwuchsabteilung im Jahr 2014 lag indes eine längere Durststrecke. Borussias A-Junioren, die Generation um die Talente Mario Götze, Lasse Sobiech, Tolgay Arslan und Daniel Ginczek, die längst gestandene Fußball-Profis geworden sind, hatten sich 2009 zwischenzeitlich auf der großen Bühne zurückgemeldet und sogar das Double im Visier. Das Finale um die Deutsche Meisterschaft verloren sie aber gegen Mainz 05 (mit Trainer Thomas Tuchel und Stürmer Andre´ Schürrle) mit 1:2, und die von Peter Hyballa trainierten Jungs zogen auch im DFB-Pokalfinale gegen Freiburg nach Elfmeterschießen den Kürzeren.

Fünf Meisterschaften in Serie

Die U19-Teams des BVB schrieben die ersten Schlagzeilen in den 90-er Jahren, als sie mit den Trainern Eddy Boekamp (1993/94 , 1997/98) und Michael Skibbe (1994 bis 1997) fünf Mal in Folge den Meistertitel nach Dortmund holten. Beim 3:2-Endspielsieg 1994 gegen Werder Bremen setzten Lars Ricken und Ibrahim Tanko Ausrufezeichen. Beide rückten später als 17-Jährige zu den Profis auf und bildeten den legendären „Baby-Sturm“, als Flemming Povlsen, Stephane Chapuisat und Karlheinz Riedle monatelang mit Kreuzbandrissen pausieren mussten.

Beim 2:0-Erfolg gegen Bayer Leverkusen ein Jahr später gehörten u. a. Vladimir But und Christian Timm dem Team an. 1996 bezwangen die Schwarz-Gelben den SV Waldhof Mannheim mit 2:0, 1997 (2:1 gegen 1860) und 1998 (im Elfmeterschießen gegen den FC Bayern) triumphierten sie über die beiden großen Münchner Vereine.

Erster in der „Ewigen Bundesliga“-Tabelle

Mit wenigen Unterbrechungen hielt sich die U17 konstant an der deutschen Spitze. Folgerichtig führt sie auch die „Ewige Tabelle“ der B-Junioren Bundesliga West vor Leverkusen und Schalke 04 an. Den ersten Meistertitel holte sie 1984 nach Dortmund, damals durch einen 2:1-Sieg vor 11 000 Zuschauern im Westfalenstadion gegen München 1860. Unter Trainer Peter Wongrowitz erreichte sie später fünf Mal das Finale und feierte drei Siege (1993 gegen Carl Zeiss Jena 5:1, 1996 gegen den 1. FC Saarbrücken 6:1, 1998 gegen den VfB Stuttgart im Elfmeterschießen). Niederlagen setzte es 1999 gegen den VfB Stuttgart (1:3) und 2001 (mit David Odonkor, Markus Brzenska und Sahr Senesie) gegen den FC Bayern (0:4).

Erst 2006 qualifizierten sich die B-Junioren wieder für ein Endspiel um die Deutsche Meisterschaft (0:2 gegen 1860 München). Obwohl der BVB auch vorher schon starke Mannschaften aufgeboten hatte, in denen u. a. Nuri Sahin, Marco Reus, Antonio Rüdiger und Marc Andre´ Kruska Duftmarken gesetzt hatten, musste der Verein fünf Jahre auf eine Endspiel-Teilnahme warten. Es folgten Final-Niederlagen gegen den FC Bayern München (2007), und die TSG Hoffenheim (2008). Dann kamen die Jungs aus dem Jahrgang 1998, die mit vier Meisterschaften in Folge (zwei bei der U17, zwei bei der U19) eine neue Ära prägten.

Wilfried Wittke