Am Ende einer turbulenten Fahrt durch die Saison stand die Deutsche Meisterschaft. Unerwartet, nach der Vorgeschichte sogar sensationell. Ein Titel, den man eher von Borussias U17 als der U19 erwartet hatte. „Es ist wunderschön, diesen Moment erleben zu dürfen“, strahlte Benjamin Hoffmann, der sich mit dem 5:3-Endspiel-Triumph gegen den VfB Stuttgart in Großaspach als Trainer verabschiedet hatte und den Stab weiterreichte an Michael Skibbe.

Dabei lief es in der Meisterschaft höchst unrund. Nach tollem Start und sieben Siegen in Folge kam die Mannschaft zum Ende der Hinrunde ins Straucheln, startete mit einer Niederlage in Düsseldorf in die zweite Serie und fand nie zurück zu einer kontinuierlichen Leistung. Passend zum Verlauf der Rückrunde der letzte Bundesliga-Spieltag: Mit einem Sieg gegen den MSV Duisburg wäre die Westmeisterschaft perfekt gewesen. Doch die Jungs um Kapitän Tobias Raschl verspielten eine 2:0-Führung und retteten sich mit einem 2:2 in die Endrunde zur Deutschen Meisterschaft. Westmeister wurde der FC Schalke 04, der vorher nur nach dem ersten Spieltag an der Tabellenspitze gestanden hatte. Der 1. FC Köln blieb in diesem spannenden Dreikampf letztlich auf der Strecke.

„Mannschaft hat herausragende Mentalität gezeigt“

Überraschte die Mannschaft bereits in den packenden Halbfinal-Duellen gegen Schalke (2:2, 2:0) mit ihrer Kampfkraft und Mentalität, so ließ sie in Großaspach eine weitere Steigerung folgen – eine Tugend, die man ihr nicht zugetraut, die Hoffmann indes mit starken Ansprachen herausgekitzelt hatte. 1:3 lag der BVB zur Pause gegen den gerade zum DFB-Pokalsieger gekürten VfB Stuttgart zurück, niemand setzte mehr einen Cent auf die offenbar überforderten Westfalen, als der Trainer an die Jungs appellierte: „Ihr habt nichts mehr zu verlieren. Haut noch einmal alles raus, spielt mutig und geht volles Risiko.“

Immanuel Pherai provozierte unmittelbar nach Wiederanpfiff eine Rote Karte gegen den Stuttgarter Luca Mack, und danach lief das Spiel in die andere Richtung. Pherai, der zur Pause eingewechselte Paul Besong, der einen Doppelpack schnürte, und Enrique Pena Zauner drehten die Partie, in der Benjamin Hoffmann die Borussia schon „mausetot“ sah. „Unsere Mannschaft hat nie aufgegeben und eine herausragende Mentalität gezeigt“, jubelte Nachwuchskoordinator Lars Ricken, „diesen Titel zu holen, ist eine überragende Leistung von Benjamin Hoffmann und seinem Team, zumal wir in der Liga einige schwierige Phasen überstehen mussten.“ Im Gegensatz zur U17, die ungeschlagen die Westdeutsche Meisterschaft gefeiert und auch die Halbfinalspiele gegen Wolfsburg in souveräner Manier gestaltet hatte. Doch der Fußball hatte mit dem 3:2-Triumph des Außenseiters 1. FC Köln im Endspiel der Deutschen Meisterschaft gegen den BVB wieder einmal eine eigene Geschichte geschrieben.

Einzige Niederlage im wichtigsten Saisonspiel

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Die Freudentänze auf dem Rasen des ehrwürdigen Stadions Rote Erde führten nicht die Youssoufa Moukoko und Co. auf, sondern die jungen Geißböcke. Die beste deutsche B-Juniorenmannschaft kassierte im wichtigsten Spiel des Jahres eine Niederlage. „Wir haben einige Nackenschläge wegstecken müssen“, resümierte der tief enttäuschte Trainer Sebastian Geppert und ergänzte: „Wenn man solche Gegentreffer bekommt, kann man kein Finale gewinnen. Wir haben uns insgesamt zu viele Fehler erlaubt.“ Auch das Spielglück hatte sie an diesem Nachmittag verlassen. Ware Pakia traf unmittelbar vor dem Kölner 1:0 die Latte, Rilind Hetemi scheiterte beim Stande von 1:2 mit einem Elfmeter am FC-Torhüter, den 2:2-Ausgleich beantworteten die „Geißböcke“ postwendend mit dem erneuten Führungstreffer, und danach ließen die Schwarzgelben viele Chancen ungenutzt. „In einigen Szenen,“, befand Kölns Trainer Martin Heck, „war für uns schon extrem viel Glück dabei.“

Auch 2016 ein Heimfinale verloren

Derweil sinnierte Nachwuchskoordinator Lars Ricken über den „Fluch“ des Heimfinals. Bereits vor drei Jahren hatte der damals ebenfalls favorisierte BVB in der Roten Erde gegen das von Kai Havertz angeführte Team von Bayer Leverkusen mit 0:2 den Kürzeren gezogen. „Es ist eine Belastung für die Jungs, wenn sie vor Familien, Freunden, Fans und ausverkauftem Haus auflaufen. Da steigt der Erwartungsdruck noch einmal, und es ist eine gewisse Nervosität zu spüren gewesen“, vermutete Ricken und spendete den Verlierern Trost: „Das ist extrem bitter, weil sie eine fantastische Saison gespielt haben. Jeder Einzelne hat sich weiterentwickelt, und jetzt schleichen sie mit hängenden Köpfen vom Platz. Das ist auch eine Erfahrung, die sie mitnehmen werden.“

Ein Spieler schrieb dennoch Geschichte: Youssoufa Moukoko erzielte in der Saison 2018/19 insgesamt 50 Saisontreffer, 46 in der U17 Bundesliga, vier in den Endrundenspielen. Das hat es vorher noch nie gegeben und könnte eine Bestmarke für die Ewigkeit sein.

Trotz der Endspiel-Niederlage der U17 durfte die von Erfolgen ohnehin verwöhnte Nachwuchsabteilung auf eine außergewöhnliche Saison zurückblicken. „Das ist das Ergebnis akribischer Arbeit. Aber es wird wohl etwas Einmaliges im deutschen Juniorenfußball bleiben“, kommentiert Lars Ricken eine eindrucksvolle Bilanz.

Staffelsiege der U16, U15 und U14

So überraschte die von Karsten Gorges trainierte U16 mit dem Titelgewinn in der B-Junioren Westfalenliga. Die gegenüber der Konkurrenz um ein Jahr jüngere Mannschaft distanzierte den Tabellenzweiten SV Lippstadt 08 um acht Punkte. Die gleichaltrigen Teams von Schalke 04 und des VfL Bochum liefen mit 18 Punkten Rückstand auf den Rängen fünf und sechs ein. Die Jungs von Karsten Gorges feierten 17 Siege und kassierten lediglich zwei Niederlagen. Rechtsverteidiger Lion Semic rückte bereits in der Rückrunde zur U17 auf und wurde auf Anhieb Stammspieler in der Bundesliga, die talentierten Bekir El-Zein und Collin Kleine-Bekel ergänzten zum Saisonende den Kader von Sebastian Geppert. Ein Großteil dieser so starken U16 bildet im Spieljahr 2019/20 Borussias U17 in der Bundesliga West.

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Spektakulär wieder einmal die Darbietungen der U15 in der Regionalliga West. Sie reihte Sieg an Sieg und wurde letztlich mit 70 Punkten und 82:22 Toren Westdeutscher Meister. Die Schützlinge von Marco Lehmann ließen Schalke 04 (63 Punkte) und Bayer Leverkusen (52) deutlich hinter sich und feierten ganz nebenbei einen 5:1-Derbysieg gegen Schalke. Die einzige Saison-Niederlage kassierten sie im Finale des Westfalenpokals gegen den VfL Bochum (1:2). Der Kader geht nun fast geschlossen in die U16.

Peter Wazinski arbeitete erfolgreich mit der U14. Das Trainer-Urgestein entschied den Zweikampf mit Schalke 04 für den BVB. Sein Team belegte im U14 Nachwuchscup mit 54 Punkten und 97:16 Toren Platz eins. Zweiter wurde der FC Schalke 04 (49), Dritter Fortuna Düsseldorf (43).

Bürogebäude, Trainingsplätze und ein „Tagesinternat“

Erfolge, auf denen sich weder die Chefs der Abteilung, Lars Ricken und Edwin Boekamp, noch die Trainer ausruhen. Deshalb wird das Leistungszentrum in Brackel weiter optimiert. „Wir waren mal Vorreiter, was unser Nachwuchs-Leistungszentrum anging. Heutzutage konkurrieren wir aber nicht mehr nur national, sondern international. Manchester hat ein Leistungszentrum für 300 Millionen Euro gebaut. Das wollen wir nicht. Aber wir wollen ein kleines, hocheffektives Leistungszentrum sein“, erklärt Lars Ricken und verrät: „Wir bauen ein neues Bürogebäude. Dann erweitern wir unser Jugendhaus, wo derzeit 22 Spieler leben können, auf 50 Plätze und um eine Kantine. Das wird eine Art Tagesinternat. Dazu kommen weitere Fußballplätze, eine Sporthalle und ein Athletik-Bereich.“

Denn Stillstand bedeutet Rückschritt. Und in der Saison 2019/20 will der BVB wieder mit allen Teams oben angreifen.

Wilfried Wittke